Der Herr nun betet nicht, um für sich etwas zu erbitten, sondern um für mich zu vermitteln. Denn wenn auch der Vater alles in die Gewalt des Sohnes gegeben hat, glaubt doch der Sohn, um der menschlichen Gestalt voll und ganz gerecht zu werden, den Vater als unser Fürsprecher für uns bitten zu sollen. Öffne die verführbaren Ohren nicht dem Trugschluss, als flehe der Sohn wie ein Hilfloser, als flehe er um Gewährung einer Bitte, welche er, der Urheber der Macht, nicht zu erfüllen vermag! Der Lehrer des Gehorsams führt uns durch sein Beispiel in die Tugendschule ein. „Wir haben“, heißt es, „einen Fürsprecher beim Vater“ (vgl. 1 Joh 2,1). Ist er Fürsprecher, muss er für meine Sünden Fürbitte einlegen. Nicht also der Ohnmacht, sondern der Liebe entspringt seine Bitte. Willst du dich überzeugen, wie er alles, was er will, vermag? Fürsprecher und Richter zugleich ist er: das eine schließt den Liebesdienst ein, das andere die Machthoheit. „Und er brachte die Nacht im Gebete mit Gott zu“. Ein Bild wird dir vorgestellt, eine Norm vorgezeichnet, der du nacheifern sollst.
Denn was musst du nicht zu deinem Heil tun, wenn Christus für dich die Nacht im Gebet zubringt? Was hast du dementsprechend zu Beginn eines frommen Werkes, das du dir vornimmst, zu tun, wenn Christus, als er die Apostel senden wollte, vorher gebetet hat und zwar allein? Auch sonst, wenn ich nicht irre, trifft man ihn niemals gemeinsam mit den Aposteln im Gebet; überall betet er allein. Denn der Mensch mit seinen Wünschen kennt Gottes Absicht nicht und keiner aus dem Vertrautenkreise kann hierin Genosse Christi sein. Willst du dich überzeugen, wie sein Gebet mir, nicht ihm gegolten hat? „Er berief“, heißt es, „seine Jünger und erwählte zwölf aus ihnen“ (vgl. Lk 6,13), um sie auszusenden, den Glauben auszusäen und die Rettung und das Heil der Menschen in der ganzen Welt zu verbreiten.
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